© www.litterula.de
Der nächstferne Ort

Haley Long:
Der nächstferne Ort.

Königskinder, 2018.
ISBN: 978-3-551-56040-7
330 Seiten, EUR 19,99 (ab 14 J.)

Dies wird eine interaktive Rezension. Um etwas von der Stimmung dieses Buches erhaschen zu können, möge der geneigte Leser zu Beginn diesen Link aufrufen https://www.youtube.com/watch?v=bOsozBlH7ng und sich das Stück „The nearest far away Place“ von den Beach Boys anhören, während er dieses Gedicht von Dylan Thomas liest, das dieser mit 14 Jahren schrieb. CLOWN IN THE MOON My tears are like the quiet drift Of petals from some magic rose; And all my grief flows from the rift Of unremembered skies and snows. I think, that if I touched the earth, It would crumble; It is so sad and beautiful, So tremulously like a dream. CLOWN IM MOND (Übersetzung: www.textkette.com) Meine Tränen sind wie das stille Gestöber aus Blütenblättern einer magischen Rose Und all mein Kummer fließt aus dem Riss aus vergessenen Himmeln und Schnee Ich glaube, dass – wenn ich die Erde berührte – sie zerkrümeln würde Es ist so traurig und schön So zitternd wie ein Traum. Dieses Gedicht und die Platte mit dem Musikstück finden die beiden Brüder Griff und Dylan Thomas, der vor fünfzehn Jahren nach dem walisischen Dichter benannt wurde, in der Wohnung ihrer Schulleiterin Blessing, die sie nach dem schweren Unfall ihrer Familie aufgenommen hat. Beide sind völlig „metagrobolisiert“ und verwirrt durch den Verlust ihrer Eltern. Dylan weicht seinem jüngeren Bruder nicht von der Seite und ist sein ständiger stiller Begleiter. Durch ihre starke innere Verbundenheit kann er ihn immer wieder erreichen. Manchmal träumt sich Dylan aber auch an den „Nächstfernen Ort“, an den er in seiner Erinnerung zurückreisen kann. Dort trifft er zum Beispiel seine Freundin Mathilda an den unterschiedlichsten Orten der Welt wieder. Die beiden Jungs landen schließlich in Aberystwyth in Wales bei einer verwandten Cousine. Griff erobert sich dort langsam sein neues Zuhause und die seltsame neue Sprache. Über ein Nachbarschaftsprojekt kommt er mit seiner Mitschülerin Hari und dem Senior Powell Roberts zusammen. Mit ihrer Hilfe kann er sich schließlich seiner Trauer stellen und nun kann Dylan ihn endlich loslassen. Der erste Teil des Buches ist geprägt von dem Schock durch den Unfall, der Unfähigkeit, über ihn zu sprechen und dem Versuch, den Alltag zu überleben. Alles scheint zum Stillstand gekommen zu sein und taut nur langsam auf, und so liest es sich auch. In der Mitte des Buches gibt es dann die entscheidende Wende als Dylan die Zeit bis zum Unfall noch einmal zurückspult und Klartext redet. Wer dann noch einmal zurückblättert, sieht auf einmal alles mit ganz anderen Augen – und es geht auf. Die Grenze zwischen Leben und Tod wird durchlässig und beide Welten durchdringen sich ohne dass das seltsam wäre.

© by Ulrike Schmoller
www.litterula.de