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Hannah Gold. Zeit der Engel Karen Hesse:
Hannah Gold. Zeit der Engel.

Verlag Freies Geistesleben, 2002.
280 Seiten, EUR 15,50 (ab 14 J.)

Das Mädchen mit den veilchenblauen Augen taucht immer dann auf, wenn Hannah in Gefahr gerät: es bewahrt sie davor, unter die Straßenbahn zu laufen, es sitzt mit ihr im Zug als sie an Grippe erkrankt und es begleitet sie auf der Heimreise als sie, endlich genesen, wieder nach Boston zurückkehrt und nicht weiß, ob sie ihre kleinen Schwestern lebend wiedersehen wird. Wer sonst als ein Engel könnte sich besser um eine Vierzehnjährige kümmern, deren Eltern wegen des Krieges verschollen sind und deren Tante ein Opfer der Grippeepidemie geworden ist. Von Tante Rosas kühler Freundin Vashti, bei der sie wohnten, wurde sie fortgeschickt, den Grippevirus bereits in sich tragend. Der alte und eigensinnige Klaus Gerhard hält sie im Notkrankenhaus mit Apfelessig am Leben und nimmt sie anschließend bei sich auf. Bei dem Deutschen, der von den Amerikanern gemieden wird, ist sie gut aufgehoben, so dass sie langsam wieder zu Kräften kommen kann. Klaus Gerhard hilft ihr rücksichtsvoll, warmherzig und mit viel Wahrhaftigkeit ins Leben zurück und trägt auch sein Möglichstes bei, um für sie das Fahrgeld nach Boston zusammenzubringen, obwohl es ihm schwer fällt, Hannah gehen zu lassen. Die besondere Atmosphäre in Hannahs jüdischen Viertel, die Menschen dort, die einem mit ihren Eigenheiten gleich vertraut erscheinen und vor allem die wachsende Verbundenheit zwischen Hannah und dem skurrilen Alten fängt Karen Hesse mit behutsamen Worten ein. Auch ihre Engelschilderungen sind so zurückhaltend, dass sie weder kitschig noch unglaubwürdig werden. Vor allem überzeugt die Person des Klaus Gerhard, der so genau weiß, was gerade wichtig ist und sich dabei nicht um Konventionen schert, der sich im rechten Moment zurücknehmen kann oder tatkräftig zur Stelle ist und einen wunderbar lakonischen Humor hat. Mir ist aufgefallen, dass ich dieses Buch gänzlich in Schwarz-Weiß-Bildern erlebt habe - vielleicht ausgelöst durch das Cover oder die Zeit, in der es spielt - als ob durch die Reduzierung der Farben der schöne Schein zurücktritt, damit das Eigentliche der Menschen besser zum Vorschein kommen kann. Dieses Buch wächst einem ans Herz. Es ist einfach betörend gut.

© Ulrike Schmoller
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