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David Almond:
Mein Papa kann fliegen.

Hanser, 2009.
ISBN: 978-3-446-23304-1
115 Seiten, EUR 12,90 (ab 6 J.)

In letzter Zeit sind einige Bücher erschienen, die sich mit dem Schicksal von Kindern beschäftigen, die psychisch kranke Eltern haben (z.B. "Mamas Monster", Balance Verlag). Diese leiden oftmals darunter, dass sie das Verhalten der Erwachsenen nicht einordnen können und müssen frühzeitig Verantwortung für diejenigen übernehmen, die sich eigentlich um sie kümmern sollten. So geht es auch Lissie, deren Vater seit dem Tod der Mutter in seine eigene Welt abdriftet, in der er sich nur noch mit Vögeln beschäftigt und sogar so weit zum Vogelmann werden will, dass er sich von Käfern und Würmern ernährt. Lissie muss ihn vor der Schule wecken und ihn ermahnen, seinen Toast zu essen und sich zu rasieren. Er bereitet sich indessen auf den großen Menschenflugwettbewerb vor, auch um seiner Tochter zu beweisen, was für ein toller Papa er ist. Dabei bastelt er so begeistert an seinen Flügeln, dass er Lissie gar nicht bemerkt, der es völlig genügen würde, wenn er einfach nur ihr Papa wäre.

Sein Gegenstück ist ihre Tante Doreen, eine bodenständige, laute Frau, die sich um Lissies Bildung sorgt und ständig Mehlklöße kocht. (Warum sie mit diesen immer wieder wirft, wird allerdings nicht ganz einsichtig.) Statt den Ratschlägen ihrer Tante zu folgen, stellt sich Lissie auf die Seite ihres Vaters und unterstützt ihn bei seinem Vogelprojekt. Die beiden bestaunen die schönen Federn, bauen sich ein Nest, legen ein imaginäres Ei, denn Vogeleltern sind die besten Eltern der Welt, und melden sich gemeinsam als die "Krähen" zum Flugwettbewerb an. Nicht der Sieg ist ihnen wichtig, sondern die gemeinsam verbrachte Zeit. Mit einer fragwürdigen Ausrüstung, aber jeder Menge Selbstvertrauen und ihrer ganzen Liebe stürzen sich die beiden von der Rampe und platschen natürlich wie alle anderen Bewerber in den Fluss. Danach schmecken die Mehlklöße so richtig gut.

Lissie schafft es, einen Draht zur Welt ihres Vaters zu bekommen und genießt seine Verspieltheit, seine Kreativität und seinen Mut, an seine Träume zu glauben. In ihrem gemeinsamen Spiel kann sie selbst auch wieder Kind sein und ihre Vernünftigkeit abgeben. Als Vater und Tochter in ihrem Vogelnest sitzen, sind die Rollen wieder richtig verteilt.

So geht David Almond das Thema "Verrücktsein" gänzlich schräg und abgehoben an und nimmt ihm damit alles Schwere und Besorgte. Lissie kann froh sein, dass sie einen Vater hat, der aus der Reihe tanzen kann. Wie gräßlich wäre es, wenn er statt dessen ein gut funktionierender Karrierepapa wäre, der nie zu Hause ist. Die phantasievollen Illustrationen von Polly Dunbar spiegeln diese Unbeschwertheit aufs Beste.

© Ulrike Schmoller
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