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Wind und der geheime Sommer

Antonia Michaelis:
Wind und der geheime Sommer.

Oetinger, 2018.
ISBN: 978-3-7891-0869-3
335 Seiten, EUR 15.- (ab 10 J.)

Für John-Marlon läuft es gerade nicht so toll. In der Schule wird er gemobbt, seine Mutter muss viel arbeiten und sein Vater will ihn in der wenigen Zeit, die sie zusammen sind, in eine Sportskanone verwandeln. Eines Tages entdeckt John-Marlon mitten in Berlin eine lose Latte in einem Zaun und kriecht hindurch. Er staunt nicht schlecht als er in einem Urwald landet und ein eigensinniges Mädchen mit verstrubbelten Haaren und zerrissenen Kleidern trifft, das dort in einem Bauwagen haust. Durch „Wind“ wird ein altes Rohr zu einem Wasserfall, der Keller im Nachbarhaus zu einer Höhle und eine Katze zu einem Tiger. Zusammen mit den anderen vier Kindern, die sich auch nachmittags in Winds Dschungel einfinden, fahren sie Bagger mit dem „kleinen Erwin“, tauchen mit Strohhalmen und Plastikflaschen und erwecken einen Dinosaurier aus Müll zum Leben. Es gibt Piraten und einen Schatz, Hohepriester, die ein Opfer darbringen wollen und eine magische Geige. Für die Kinder werden im Spiel all ihre Abenteuer wahr und sie erleben eine wunderbare, aus ihrem schwierigen Alltag herausgelöste Zeit miteinander. Könnte sie doch ewig dauern! Aber woher kommen die rosa Blütenblätter, die immer wieder herumliegen, wer ist die Frau im grünen Mantel und warum hat Wind Angst vor dem Ende des Sommers? Sind die Diamanten auf Winds Geigenbogen echt und was ist in den Kisten, die die Männer in den Katakomben versteckt haben? Wer ist Wind wirklich und wohin geht sie, wenn sie um sechs Uhr abends „tiefer in den Urwald“ geht?

Antonia Michaelis hat ihr neues Kinderbuch randvoll gepackt. Hinter allen phantastischen Abenteuern und den realen Bedrohungen, die von außen hereinschwappen und den tatsächlichen Pfeffer zugeben, gibt es noch eine tiefere Ebene, auf der es um das Erfüllen von Erwartungen und das Ende der Kindheit geht. Wind spielt sich mit ihrer Geige von den Konventionen frei und zeigt mit ihrer eigenen Komposition ihr Ureigenes. Die Geschichte ist so chaotisch wie Winds Urwald und der rote Faden so verfusselt wie das echte Leben. Fazit: eigene Phantasie ist allemal besser als Computerspiele!

© by Ulrike Schmoller
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